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Dr. Johannes Fiala, Dipl. Math. Peter A. Schramm: Zähmung der Klageindustrie gegen BeitragsanpassungenZoom Button

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Dr. Johannes Fiala, Dipl. Math. Peter A. Schramm: Zähmung der Klageindustrie gegen Beitragsanpassungen

Dr. Johannes Fiala, Dipl. Math. Peter A. Schramm: Zähmung der Klageindustrie gegen Beitragsanpassungen

  • Wandtafel eines deutschen Anwalts: »Solange Sie hier sitzen, kann ich nichts für Sie tun.« In Palermo: »Hier müssen Sie die Wahrheit sagen – für notwendige Lügen sorgen wir selbst.«

Massenklagen gegen Beitragsanpassungen

Die industrielle Bearbeitung von Massenklagen verstärkt auch gegen Beitragsanpassungen in der Privaten Krankenversicherung hat sich in den letzten Jahren entwickelt hat und zuletzt eine starke Beschleunigung erfahren. Auf solche Massenklagen spezialisierte Anwälte nutzen fortgeschrittene Software, um eine Vielzahl von Fällen schnell und effizient zu bearbeiten. Dies ermöglicht es ihnen, mehr Mandanten zu gewinnen und gleichzeitig die Bearbeitungszeit zu verkürzen.

Die Rolle der Rechtsschutzversicherer ist in diesem Kontext nicht zu unterschätzen, da sie oft die Kosten für solche Verfahren übernehmen. Dies erleichtert es den Mandanten, ihre Rechte geltend zu machen, ohne sich um die finanziellen Aspekte sorgen zu müssen. Im Idealfall leistet er nur eine Unterschrift für die Prozessvollmacht und darf sich dann einfach nur überraschen lassen, wenn das Geld fließt., ohne sich über das Verfahren weiter informieren zu lassen.

Die Zukunft des Rechtsmarktes wird zweifellos von der weiteren Integration von Technologie und der Anpassungsfähigkeit der Rechtsdienstleister, der Justiz sowie von gegebenenfalls erforderlichen #Gerichtssachverständigen abhängen. Es kann beobachtet werden, wie sich diese Trends weiterentwickeln und welche Auswirkungen sie auf die Rechtspraxis und die Gesellschaft als Ganzes haben werden.

Wie Gerichte auf die #Klageflut reagieren

Die Gerichte haben begonnen, sich durch die Bildung spezialisierter Kammern, personelle Verstärkungen und gegebenenfalls durch die Schaffung von Netzwerken auf diese Entwicklung einzustellen. Ein wesentlicher Aspekt dieser Anpassung ist die Standardisierung des Verfahrensablaufs, die sich von der Formulierung der Texte über Beweisbeschlüsse bis hin zu den Urteilen erstreckt. Dazu noch die Tendenz bei Gerichten, durch möglichst einfache Urteilsbegründungen ohne große Beweisaufnahme Klagen stattzugeben oder sie zurückzuweisen, solange der #BGH es nicht anders sieht.

Die Standardisierung in Massenverfahren ist nicht ohne Herausforderungen. Sie muss die Anforderungen der Zivilprozessordnung (ZPO) erfüllen, die Form und Inhalt von Schriftsätzen regelt, unabhängig davon, ob sie für einen Einzelfall oder für eine Vielzahl von Fällen erstellt werden. Die #ZPO verlangt, dass eine Klageschrift neben einem bestimmten Antrag auch Angaben zum Gegenstand und zum Grund des erhobenen Anspruchs enthält. Dieses Bestimmtheitserfordernis steht in einem Spannungsverhältnis zur notwendigen Standardisierung in Massenklagen, da sich die Sachverhalte zwar ähneln, aber im Detail unterscheiden können. Doch zeigt sich, dass auch weitgehende Unkenntnis von den Tatsachen Massenklagen gegen Beitragsanpassungen nicht hindert, denn es werden dabei auch Auskunftsansprüche geltend gemacht, die großenteils aber bereits freiwillig in den Klageerwiderungen erfüllt werden.

Auch wurde lange geduldet, dass klägerseits die Korrektheit von Beitragsanpassungen schlicht mit Nichtwissen bestritten wird, Behauptungen ohne jede Konkretisierung ins Blaue hinein aufgestellt wurden, und eine Befassung selbst mit den vom Versicherer vorgelegten umfangreichen Kalkulationsgrundlagen – Geschäftsgeheimnisse im Umfang vieler tausend Seiten je Fall – nicht erfolgte. Dennoch haben Gerichte dann regelmäßig teure und aufwendige Gerichtsgutachten beauftragt, die vom beklagten Versicherer meist bevorschusst wurden. Das hat die Klagen gegen Beitragsanpassungen für die Klageindustrie sehr vereinfacht.

Versuche von Gerichten, etwa die Prozesse abzukürzen, indem Klagen stattgegeben wurde wegen der »Abhängigkeit des Treuhänders«, vermeintlich unwirksamen Anpassungsklauseln, oder weil eine Beitragsanpassung unwirksam wäre, nur weil kein vollständiges tarifübergreifendes Limitierungskonzept mit allen Tarifbestands Details vorlag, hat der Bundesgerichtshof (BGH) sukzessive eine Absage erteilt.

BGH: Darlegungslast des Klägers bei Limitierung

So entschied der BGH mit Urteil vom 20. März 2024, Aktenzeichen IV ZR 68/22, der Versicherte trage die Beweislast und primäre Darlegungslast dafür, dass er durch die Verteilung der Mittel in seinen Rechten beeinträchtigt worden sei. Den Versicherer treffe nur eine sekundäre Darlegungslast, welche Parameter der Limitierungsentscheidung zugrunde lagen. Nicht aber dazu, wie die Mittel über die unterschiedlichen Tarife hinweg verteilt wurden. Eine vollständige gerichtliche Kontrolle von Limitierungsmaßnahmen im Sinne einer »Motivkontrolle oder Begründungskontrolle« lehnt der BGH ab. Die gerichtliche Prüfung sei vielmehr auf besonders schwerwiegende Verstöße gegen die schutzwürdigen Interessen des konkreten Versicherten begrenzt. Und dies muss der Kläger konkret darlegen.

Und weil Gerichte zuvor die gesamte Anpassung für unwirksam hielten, wenn sie Zweifel an der Limitierung hatten, stellt der BGH fest, dass die Anpassung der Beiträge auch dann wirksam bleibt, wenn die Limitierungsmaßnahme fehlerhaft erfolgt ist, sofern die Nachkalkulation selbst den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Der Kläger erhält nur bei Nachweis dann eine stärkere Limitierung.

Der BGH hat das vorangegangene Urteil des LG Berlin daher aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Dort ist nun auch die Nachkalkulation der Prämie selbst zu prüfen. Damit geht es nun also vermehrt bei den Gerichten um die Beitragskalkulation selbst, ein hochkomplexes Thema, um das Gerichte oft lieber einen Bogen gemacht hätten.

Beitragskalkulation: Klägerbehauptungen »ins Blaue hinein« reichen nicht

Doch zuletzt zeigte sich dann, dass Gerichte es nicht mehr in Übereinstimmung mit den allgemeinen Grundsätzen für Gerichtsverfahren sehen, wenn Kläger nicht mal ansatzweise darlegen, warum die Kalkulation selbst fehlerhaft sein soll, und sich auf Nichtwissen zurückziehen. Sie realisieren, dass sie den Bundesgerichtshof (BGH) wohl bisher missverstanden haben. Wozu wohl auch die Notlage beigetragen hat, dass geeignete Gerichtsgutachter mittlerweile oft bis über das Ende des 3. Jahrzehnts dieses Jahrtausends hinaus mit Aufträgen aus bereits gefassten Beweisbeschlüssen voll ausgelastet sind. Die Zahl der Verfahren überschreitet inzwischen diejenigen aus dem Dieselskandal.

Die jetzige Lösung lag eigentlich nahe – und sie kann der Klageindustrie mit einer Lawine von Klagen gegen Beitragsanpassungen den Boden entziehen. Jedenfalls, wenn wie üblich auch die angepassten aber ohne Vorbehalt gezahlten Beiträge des laufenden Jahres und der drei unverjährten Vorjahre zurückverlangt werden, und nicht nur eine sogenannte negative Feststellungsklage auf fehlende volle Zahlungsverpflichtung ab Erhebung der Klage erfolgt. Was den Streitwert und damit die finanzielle Honorarbasis für Klagen gegen Beitragsanpassungen stark beeinträchtigen muss.

So sagt das OLG Köln im Beschluss vom 18. Mai 2022 – 20 U 91/21 – sehr deutlich: »Dass der Versicherer die Berechtigung einer Prämienerhöhung im Streitfall darlegen und beweisen muss, gilt zwar dann, wenn er die erhöhte Prämie einfordert. Anders ist es jedoch, wenn der Versicherungsnehmer, wie hier, Rückforderungsansprüche geltend macht – gleichgültig, ob gestützt auf Bereicherungsrecht oder auf Schadensersatzrecht; in beiden Fällen liegen Darlegungslast und Beweislast beim Versicherungsnehmer.

Wenn der Versicherer die Prämie einklagt, mag sich der Versicherungsnehmer hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der vom Versicherer in einem Verfahren ermittelten Prämienhöhe, zu dem der Versicherungsnehmer keinen Zugang hatte, durch Bestreiten mit Nichtwissen verteidigen dürfen.

Für die Schadensersatzklage kann ein Vortrag wie der des Klägers nicht ausreichen, auch nicht mit dem zutreffenden Hinweis versehen, dass sich die materielle Richtigkeit einer Prämienfestsetzung in aller Regel nur mithilfe eines Sachverständigengutachtens klären lässt. Ohne konkreten Hinweis auf Fehler einen Sachverständigen mit der Überprüfung streitiger Prämienanpassungen zu beauftragen, bedeutet Ausforschung. Rechtlich und in seinen praktischen Auswirkungen, erschiene es dem Senat unvertretbar, wenn ein Versicherungsnehmer mit der blanken Behauptung, der Auslösende Faktor habe den Schwellenwert nicht überschritten, alle Prämienanpassungen der letzten 10 Jahre gerichtlich mittels aufwendiger Gutachten überprüfen lassen könnte. Das widerspräche den Zielen des Schuldnerschutzes und des Rechtsfriedens … und wäre nicht nur für die Versicherer unzumutbar, sondern müsste zwangsläufig zulasten der Gesamtheit der Versicherten gehen.«

Andere Gerichte folgen OLG Köln und lehnen Beweisbeschlüsse zu Gerichtsgutachten ab

So sagt ein Urteil des LG München I, wo zuletzt weit über tausend Klagen gegen Beitragsanpassungen anhängig waren, warum, anders als bislang irrtümlich gesehen, kein Gerichtsgutachten nur auf »unsubstantiiertes Bestreiten« erfolgt, im Endurteil vom 1. Juni 2023 – Aktenzeichen 12 O 1228/23 in aller Deutlichkeit:»Vielfach wird aus den Urteilen des BGH vom 16. Juni 2004 – IV ZR 117/02 und vom 9. Dezember 2015 – IV ZR 272/15 geschlossen, dass die Darlegungslast und Beweislast bezüglich dieser Anspruchsgrundlagen in Prämienanpassungsverfahren beim Versicherer läge. Im 1. Verfahren äußerte sich der BGH jedoch nur zur Darlegungslast und Beweislast im Rahmen der negativen Feststellungsklage. Das 2. Verfahren betraf einen Fall, in dem der Versicherungsnehmer die Beiträge unter Vorbehalt geleistet hatte, sodass es deshalb bei der Darlegungs und Beweislast des Versicherers blieb. Vielfach wird eine Umkehr der Darlegungslast und Beweislast in Prämienanpassung auch als gerechtfertigtes Korrelat zum einseitigen Prämienanpassungsrecht der Versicherung angesehen. Auch wird angeführt, dass dem Versicherungsnehmer die notwendigen Informationen nicht vorlägen und er ohne Kenntnis der technischen Berechnungsgrundlagen nicht in der Lage sei, die aktuarielle Rechtswidrigkeit der Beitragsanpassungen substantiiert zu behaupten und gegebenenfalls zu beweisen …

Die vorgebrachten Argumente rechtfertigen jedoch keine grundsätzliche Umkehr der üblichen Darlegungslastregeln und Beweislastregeln. Denn entgegen den vorgebrachten Argumenten ist der Versicherungsnehmer nicht rechtsschutzlos: Zum einen ist der Versicherungsnehmer in der für ihn misslichen Beweissituation nur deshalb, weil er die geforderten Beiträge (zum Teil jahrelang – hier zum Beispiel seit 12 Jahren bis zur Klageerhebung) vorbehaltlos gezahlt hat.

Zum anderen wird von der Klagepartei in ihrer Situation auch kein unzumutbarer Sachvortrag verlangt.  Dies deckt sich mit der Rechtsprechung zu Paragraph 138, Absatz 2, #ZPO. Danach ist die Grenze der zulässigen Erklärung mit Nichtwissen mit der Folge, dass der Gegenseite die nach der Rechtsprechung auf Grundlage des Paragraphen 138, Absatz 2, ZPO entwickelte sogenannte »sekundäre Darlegungslast« auferlegt werden darf, erreicht, wenn die Klagepartei Behauptungen aufstellt, die sich lediglich auf Vermutungen stützen, aus der Luft gegriffen sind und sich somit als Rechtsmissbrauch darstellen (BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20 … was darunter zu verstehen ist, hat der BGH in dem angegebenen Urteil vom 16. September 2021 dargelegt (am angegebenen Ort, Randnummer 21 fortfolgend). Die Entscheidung erging zum sogenannten »#Dieselskandal«. Der BGH äußerte sich dazu, was der Käufer eines Dieselfahrzeugs dafür vortragen muss, dass in seinem Fahrzeug tatsächlich eine Steuerungseinheit verbaut ist, mit der Vorschriften zur Abgasregulierung umgangen werden. Es wird der Vortrag »tatsächlicher Anhaltspunkte« verlangt (Randnummer 23 fortfolgend). Nur dann ist der Prozessgegner verpflichtet, sich zu den Behauptungen der Gegenseite überhaupt detailliert zu äußern …

Die Situation der Käufer eines Dieselfahrzeugs ist vergleichbar mit der Situation von Versicherungsnehmern, denen die Beiträge erhöht wurden und die sie nun zurückverlangen. In beiden Fällen hat der Anspruchsteller keinerlei Kenntnisse der Firmeninterna. In beiden Fällen kann der Anspruchsteller unter Umständen ohne Hinzuziehung von Sachverständigen keine abschließende Beurteilung des Sachverhalts abgeben. Eine unterschiedliche Behandlung dieser Sachverhalte ist nicht gerechtfertigt …

Es ist zweifelhaft, ob der IV. Senat des BGH in Prämienanpassungsverfahren einen Vortrag »ins Blaue hinein« entgegen der Auffassung des III. und VII. Senats generell für ausreichend hielte. Dies liefe in letzter Konsequenz darauf hinaus, dass auch der redliche und rechtmäßig handelnde #Versicherer allein aufgrund der durch nichts gestützten Behauptung eines Versicherungsnehmers, die Beitragsanpassungen seien materiell rechtswidrig, gezwungen wäre, im Rahmen einer Beweisaufnahme Versicherungsunterlagen für unter Umständen für viele Jahre vorzulegen und die Beweisaufnahme auch noch vorzufinanzieren, Paragraphen 402, 379, ZPO. Auch das brandenburgische Oberlandesgericht geht im Beschluss vom 13. Februar 2019 – 11 U 119/17 aus den dargelegten Gründen von einer Beweislast der Klagepartei für Rückforderungsansprüche aus.

Die Klagepartei hat keine konkreten Anhaltspunkte für die materielle Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Beitragsanpassungen vorgetragen. Sie beschränkt sich darauf umfangreiche Ausführungen dazu zu machen, was ihrer Ansicht nach die Versicherung und der Treuhänder im Rahmen des Prüfungsverfahrens alles zu beachten und zu berücksichtigen haben, ohne jedoch anzugeben, warum sie davon ausgeht, dass die Voraussetzungen bei den streitgegenständlichen Beitragsanpassungen der Beklagten nicht eingehalten worden sind. Trotz Hinweis des Gerichts beharrte die Klagepartei darauf, es reiche für sie aus, die Rechtmäßigkeit einfach allgemein zu bestreiten. Damit ist ihr diesbezüglicher Vortrag bereits unbeachtlich.

Massenklagen gegen Beitragsanpassungen beeinträchtigen den Rechtsfrieden

Das LG München I weist im Urteil vom 10. März 2023 – 12 O 6308/22 – explizit auch darauf hin, dass die bereits hohe Auslastung der wenigen Gutachter zu Beitragsanpassungen die Verfahren auf viele Jahre in die Länge ziehen würde, wenn für Beitragsanpassungen eine Ausnahme von den normalen Regeln der Darlegungslast und Beweislast angenommen würde: »Darüber hinaus würde eine derartige Annahme einer Pflicht des Gerichts zur Durchführung einer oben dargestellten Beweisaufnahme zur materiellen Rechtmäßigkeit der Beitragsanpassungen … auch das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Artikel 19, Absatz 4, GG, und den Rechtsfrieden beeinträchtigen: Denn im Unterschied zur formellen Rechtmäßigkeit von Beitragsanpassungen, die durch den Tatrichter selbstständig zu beurteilen ist … und deren Prüfung daher mit zumutbarem (Zeit )Aufwand verbunden ist, erfordert dagegen eine Beweisaufnahme zur materiellen Rechtmäßigkeit die Einholung eines Gutachtens eines neutralen versicherungsmathematischen Sachverständigen … die bundesweite Anzahl derartiger Sachverständige ist enorm gering; entsprechend sind die wenigen in Betracht kommenden Sachverständigen seit Jahren und absehbar für viele weitere Jahre bereits mit gerichtlichen Gutachtenaufträgen überlastet. Die gerichtliche Einholung eines Sachverständigengutachtens zur materiellen Rechtmäßigkeit von Beitragsanpassungen ist entsprechend mit enormem Zeitaufwand und einer enormen Verzögerung des Zeitpunktes einer gerichtlichen Entscheidung und somit auch des Zeitpunktes des Eintritts von Rechtsfrieden verbunden …«

Gefestigte Rechtsprechung macht unsubstantiiertes Bestreiten unmöglich

Auch das OLG Düsseldorf bestätigt im Urteil vom 16. Dezember 2024 I 9 U 144/23, dass der Kläger »konkrete und greifbare Anhaltspunkte für die behauptete Unrichtigkeit vortragen muss«: »In mittlerweile gefestigter Rechtsprechung vertritt der Senat die Auffassung, dass der Versicherungsnehmer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast bei entsprechendem Vortrag des beklagten Versicherers zur finanzmathematischen Kalkulation (Paragraph 155, Absatz 1, VAG) eine Unrichtigkeit nicht einfach behaupten darf, sondern konkrete und greifbare Anhaltspunkte für die behauptete Unrichtigkeit vortragen muss. Dies gilt erst Recht, wenn der Versicherer sogar die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung stellt. Für Überlegungen zur Möglichkeit eines Bestreitens mit Nichtwissen ist schon grundsätzlich, jedenfalls aber bei Zurverfügungstellung der Unterlagen durch den Versicherer kein Raum.«

Mithin müssen auch die ausführlichen Kalkulationsgrundlagen vom Versicherer gar nicht erst vorgelegt werden, wenn zuvor der Kläger nichts konkret substantiiert zu vermeintlichen Fehlern vorgetragen hat, sondern diese nur ins Blaue hinein behauptet. So sagt es auch das LG München I im Beschluss vom 21. April 2023 – 12 O 12077/21: »So steht dem redlichen Kläger, der eine Klage erhebt, um seine aufgrund konkreter ›tatsächlicher Anhaltspunkte‹ … bereits bestehenden Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit der ihn konkret betreffenden Beitragsanpassungen gerichtlich prüfen zu lassen, der Rechtsweg zu den Zivilgerichten ohne nennenswerte Hindernisse offen. Versperrt ist der Rechtsweg zu den Zivilgerichten dagegen ausschließlich einer vom konkreten Einzelfall völlig losgelösten Klage ›ins Blaue hinein‹ mit dem Ziel,den Versicherer bloß ›auszuforschen‹ und ohne konkrete Tatsachengrundlage und damit ›aufs Geratewohl‹ überhaupt erst einmal ermitteln zu lassen, ob sich (erst) im Laufe des Zivilprozesses überhaupt Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit der Beitragsanpassungen ergeben.«

Bereits gefasste Beweisbeschlüsse werden aufgehoben – Gutachteraufträge ebenso

Wie der genannte Beschluss des OLG Köln und die sich damit entwickelnde neue Rechtslage dazu führt, dass selbst bereits gefasste Beweisbeschlüsse zu Gerichtsgutachten aufgehoben werden, zeigtdas Urteil vom 3. August 2023 4 O 464/19 – des LG Wuppertal: »Nachdem die von der Beklagten zur Gerichtsakte eingereichten technischenBerechnungsgrundlagen der Klägerseite zugänglich gemacht worden sind, hat das Gericht am 8. Juni 2022 einen Beweisbeschluss betreffend die versicherungsmathematische Richtigkeit der Anpassungen erlassen. Mit Beschluss vom 15. September 2022 hat es darauf hingewiesen, dass es nacherneuter Prüfung der Sachlage und Rechtslage unter Berücksichtigung der Entscheidung des OLG Köln mit Beschluss vom 18. Mai 2022 20 U 91/21 den Vortrag der Klägerseite für unsubstantiiert erachteund die Aufhebung des Beweisbeschlusses in Aussicht gestellt. Mit weiterem Beschluss vom 10. Februar 2023 hat es den Beweisbeschluss aufgehoben und Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt …

Eine konkrete inhaltliche Unrichtigkeit zeigt der Kläger nicht auf. Er stellt lediglich pauschal und ohne jeden Fallbezug die einzelnen Anpassungsvoraussetzungen in Abrede. Dieser Vortrag ist unsubstantiiert, und zwar unabhängig davon, ob man die Darlegungs und Beweislast bei dem Kläger … oder – abweichend von den allgemein anerkannten prozessualen Grundsätzen – bei der Beklagten sieht. So oder so liefert der Kläger zu dem Streitfall keinerlei Tatsachen, die einen gewissen Anhaltspunkt dafür liefern könnten, dass die Beitragsanpassungen nicht korrekt vorgenommen sein könnten …

Spätestens nachdem die Beklagte dem Kläger und seinem Prozessvertreter die technischenBerechnungsgrundlagen zugänglich gemacht hat, können sie sich nicht mehr auf ein etwaiges Wissensdefizit zurückziehen: Der Kläger ist auf Prozessbehauptungen »ins Blaue hinein« nicht angewiesen … das spart dann Aufwand bei Gericht und Versicherer und je Fall bis zu mehr als 10.000 Euro Gutachterkosten.

Rechtsschutzversicherer (RSV) werden künftig meist Deckungszusage verweigern

Wenn der Kläger vermeintlich zu Unrecht gezahlte Beitragserhöhungen zurückverlangt, wird sich regelmäßig aus den üblichen Klageentwürfen keinerlei konkreter Anhaltspunkt ergeben, warum die Beitragsanpassungen falsch sein sollen. Daher erschließt sich die für eine Deckungszusage erforderliche überwiegende Erfolgsaussicht bereits nicht. Rechtsschutzversicherer müssen daher bereits schon keine Deckungszusage für Klagen gegen Beitragsanpassungen erteilen.

Damit aber bricht sofort die finanzielle Basis für eine »Klageindustrie« gegen Beitragsanpassungen in der Privaten Krankenversicherung weg. Die RSV spart damit jährlich einen bis zu zweistelligen Millionenbetrag an Leistungen ein, die sie bisher ganz unnötig gezahlt hat. Versicherungsnehmer werden wohl auch kaum selbst das Risiko der Aufbürdung aller Verfahrenskosten eingehen, schlimmstenfalls auch mit Gutachterkosten bis zu über 10.000 Euro.

Lehnt die RSV ihre Deckung zunächst ab, kommt hingegen etwa die Nichtzahlung der Anpassungsbeiträge in Frage, mit womöglich der Folge einer Zahlungsklage des Versicherers, gegen die dann die RSV Deckung wird bieten müssen. Der für eine Klageindustrie notwendige Streitwert bricht dann indes auf einen Bruchteil zusammen.

Dass der Versicherungsnehmer der RSV einen Prozeßfinanzierer einschaltet, wird bei völligunsubstantiierten Klagen nur mit der vagen Hoffnung, bei den Beitragsanpassungen könne ein Fehler vorliegen, wohl kaum gangbar sein.

Obendrein: Regress beim Klägeranwalt

Doch auch nach durch den Kläger großenteils verlorenen Klagen ist es noch möglich, den Klägeranwalt seitens des Rechtsschutzversicherers wegen fehlerhafter Prozessführung in Regress zu nehmen: Gemäß Paragraph 86 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) gehen nicht nur Rechtsansprüche auf Kostenerstattung gesetzlich auf den RSV Versicherer über, sondern auch etwaige Regressansprüche gegen die (vormals) mandatierte Rechtsanwaltskanzlei; Paragraphen 280, 249 fortfolgend, #BGB. Um die #Weihnachtszeit ist es Usus geworden, daß tausende von Regressklagen wegen drohender Verjährung beiLandgerichten eingereicht werden. Es ist die Leitentscheidung des BGH (Urteil vom 16. Mai 2024 – IX ZR 38/23) zu beachten, wonach bei – von Anfang an in jeder Hinsicht unzweifelhaft objektiver – Aussichtslosigkeit der – gegebenenfalls auch nur der weiteren – #Rechtsverfolgung – der Regress gegen die Anwaltskanzlei eröffnet ist. Dies verpflichtet auch in Massenverfahren die Mandanten einzeln individuell und verständlich über Prozessrisiko und Kostenrisiken zu belehren.

Ändert sich die Rechtsprechung so, daß sich eine Aussichtslosigkeit ergibt, ist sogar zur Rücknahme von Klage beziehungsweise Rechtsbehelf zu raten; im Zweifel darin eingeschlossen die Abstimmung mit der RSV. Der BGH stellt auch in seinem Urteil fest: »Eine Rechtsverfolgung kann auch in tatsächlicher Hinsicht objektiv aussichtslos sein. Das kommt inBetracht, wenn der dem Mandanten ohne jeden Zweifel obliegenden Darlegungslast und Beweislast offenkundig nicht genügt werden kann.«

Zu den Todsünden des Rechtsbeistands gehört der Rechtsrat ins Blaue hinein, und selbstredend ebensolche Klagebegründungen – unter Außerachtlassung der Darlegungslast und Beweislast. Folgerichtig stellen Klägeranwälte nicht selten die Korrektheit der Beitragskalkulation spätestens nach Aufforderung zur konkreten Darlegung von Fehlern einfach unstrittig, womit dazu dann gerichtlichnichts mehr zu prüfen und gegebenenfalls bereits gefasste Beweisbeschlüsse und erteilte Gutachteraufträge aufzuheben sind.

Privatgutachten können aufwendig nur echte Fehler feststellen

Der rechtsschutzversicherte Kläger wird häufig nicht umhinkommen, zunächst zur Ermittlung von »Fehlern« des #PKV Versicherers einen Versicherungsmathematiker im Einzelfall zu beauftragen; und bestenfalls sodann dessen Prozeßbegleitung als Privatgutachter sicherstellen müssen. Dies aufwendig nach Prüfung tausender Seiten von Kalkulationsunterlagen zu sehr hohen Kosten und dann oft mit dem Ergebnis, dass dieser auch nur die Korrektheit der Kalkulation der Beitragsanpassungenbestätigt. Weshalb auch die bis zu mehr als 10.000 Euro liegenden Privatgutachterkosten besser bei Auftragserteilung im Voraus zu zahlen sind.

Zumal ja vorher auch bereits der Verantwortliche Aktuar des Versicherers und der zustimmende unabhängige Treuhänder geprüft haben, die beide auf Verlangen der Aufsichtsbehörde zu entlassen wären, wenn sie die ihnen nach Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) gesetzlich obliegenden Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllen (Paragraph 156 f, VAG). Alle Kalkulationsunterlagen sind dafür auch vor der Beitragsanpassung der Aufsichtsbehörde zur Kenntnis vorzulegen.

Nachdem derartiger Aufwand für Privatgutachter regelmäßig eine Deckungslücke der RSV darstellt, droht substanzlosen Massenklagen gegen PKV Prämienerhöhungen ein absehbares Ende. Dass die RSV für massenweise Klage ins Blaue hinein zahlen müsste, nur weil die Klägerseite alles ohne jeden konkret dargelegten Anhaltspunkt für Fehler nochmal durch eine aufwendige Beweisaufnahme und ein teures Gerichtsgutachten geprüft haben will, ist ebenso abstrus wie dass Gerichte dazu zu dienen hätten. Sie sehen es mittlerweile eher als missbräuchliche Nutzung des Rechtsweges.

Von Dr. Johannes Fiala, PhD, RA, MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanzberater und Anlageberater (A. F. A.), Bankkaufmann, und Dipl. Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik, Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung.

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